Geld oder Leben: Mehr zum Stück...
"Ein Fischer sitzt am Strand und blickt auf das Meer, nachdem er die Ernte seiner mühseligen Ausfahrt auf den Markt gebracht hat. Warum er nicht einen Kredit aufnehme, fragt ein Tourist, dann könne er einen Motor kaufen und das Doppelte fangen. Das brächte Geld für einen Kutter und einen zweiten Mann ein. Zweimal täglich auf Fang biete das Vierfache verdienen, warum er eigentlich herumtrödele, auch ein dritter Kutter wäre zu beschaffen. Das Meer könne viel besser ausgenutzt werden! Ein Stand auf dem Markt, ein Fischrestaurant, eine Konservenfabrik, dem Touristen leuchten die Augen.
Und dann, unterbricht ihn der Fischer?
Dann bräuchten Sie gar nichts mehr zu tun, dann können Sie den ganzen Tag sitzen und glücklich auf ihr Meer hinausblicken.
Aber das tue ich doch jetzt schon, sagt der Fischer."
Das Geld ist neben Liebe und Sexualität das prägendste Element des Lebens. Viele Sehnsüchte und Glücksphantasien entzünden sich am Geld. In unserer Gesellschaft ist der Besitz von Geld in den meisten Fällen nur durch Lohnarbeit zu erreichen. Die Ausgangsfrage des Projektes "Geld oder Leben" ist: kann bzw. soll Arbeit überhaupt mit Geld belohnt werden? Historisch hat uns der Umstand, dass man für Arbeit Geld bekommt, von der Sklaverei befreit. Die ursprüngliche aus dem indogermanischen stammende Bedeutung des Wortes Arbeit ist "versklavt sein", "zu schwerer körperlicher Tätigkeit gezwungen sein", "Mühsal", "Plage". Erst seit Martin Luther hat die Arbeit einen sittlichen Wert als Beruf des Menschen erhalten: "Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen." Eine Auffassung, die sich in anderen Erdteilen so überhaupt nicht durchgesetzt hat. Aber in Deutschland sind wir zutiefst von dieser protestantischen Vorstellung "Der Mensch wird nur zum Menschen durch Arbeit" geprägt, was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, wie sehr wir darunter leiden, wenn wir keine Arbeit haben.
Inzwischen hat der Mensch in den Industrienationen erfolgreich daran gearbeitet, die Arbeit durch Automatisierung abzuschaffen. Wir stecken in dem Dilemma, dass wir daran gewöhnt sind, uns über Geldbesitz und über unsere Arbeit als Menschen zu definieren, aber nicht mehr genügend Arbeit für alle zur Verfügung steht. Ohne Arbeit - oder alternativ viel Geld - gilt man nichts und fühlt sich schlecht. Obwohl unsere Gesellschaft weitgehend in der Lage ist, ihren Mitgliedern auch ohne Arbeit genügend Geld zum überleben zu geben, gilt sie als kaputt und herunter gewirtschaftet.
Ist es Luxus, zu arbeiten um der Arbeit willen? Ist das dann noch als Arbeit zu bezeichnen? Ist es utopisch, wie Rudolf Steiner vorschlägt, allen das Geld zu geben, was sie jeweils benötigen und die Arbeit von dem Gedanken der Bezahlung frei zu halten?
Einen ähnlichen, wenn auch etwas abgemilderten Gedanken verfolgt der Soziologe Wolfgang Engler in seinem Buch "Bürger, ohne Arbeit", wenn er ein bedingungslos an jeden Arbeitslosen zu zahlendes Bürgergeld fordert, um ihn erst mal für unschuldig am Verschwinden der Arbeit zu erklären. Aber Engler wendet ein, der Mensch müsse darüber hinaus erst wieder die Befähigung erlernen, "sich selbst zu regieren", wenn die Arbeit als Struktur gebendes Element des Lebens wegfällt.
Wer allerdings wäre denn noch bereit, ungeliebte Arbeiten zu machen, wenn er stattdessen eine garantierte Grundsicherung haben könnte? Kann eine Gesellschaft funktionieren, die einigen erlaubt, nur zu nehmen ohne zu geben?
Interessant ist bei alledem unsere statische Vorstellung vom Geld. Das Gefühl, Geld zu besitzen, macht sicher und angeblich frei, daher trachten wir danach, das Geld zu vermehren. Noch vor der Industrialisierung hat das Sparen schon wegen der Inflation keinen Sinn gehabt. Es galt stets, vorhandenes Geld so schnell wie möglich wieder auszugeben für etwas Nützliches. Geld war ein "Schmiermittel" der wirtschaftlichen Prozesse, nicht sein Zweck.
Um diese philosophischen und psychologischen Fragen kreist unser Projekt. Die vier Schauspieler spielen Situationen durch, die die beschriebenen Zusammenhänge zwischen Geld und Arbeit erhellen bzw. in ein neues Licht stellen. Wir unternehmen den Versuch, die in unserer Gesellschaft festgefahrene Diskussion um Arbeit aufzubrechen.
Um nicht im eigenen Saft zu schmoren und lediglich um eine intellektuell aufbereitete Wohlstandsproblematik zu kreisen, wird es immer wieder darum gehen, unsere "Probleme" im Kontext der globalisierten Wirtschaft zu betrachten und dem Projekt dadurch Welthaltigkeit zu verleihen.